Blick-Wechsel. Zur Konstruktion von Männlichkeit und Weiblichkeit in Kunst und Kunstgeschichte

Frauen im Kunstbetrieb: Frauen waren lange Zeit vom Kunstmarkt ausgeschlossen, sie sind von Anfang an bis heute unterrepräsentiert. Historisch gesehen tauchen Künstlerinnen nur vereinzelt auf. Im Kontext der ersten Frauenbewegung begannen Künstlerinnen den männlich dominierten Kunstmarkt zu hinterfragen und suchten nach Strategien, sich zu etablieren.

 

Frauen wurde symbolisch der private, Männern der öffentliche Raum zugewiesen. Aufgrund der Gebärfähigkeit entstand der Mythos, dass eine Frau nur körperlich und nicht geistig produzieren kann. Frauen hatten lange Zeit keinen Zugang zur Universität bzw. Akademie. Der Künstler galt als genialer, gottähnlicher Schöpfer von Kunstwerken. Kritik am Autorsubjekt übte Roland Barthes. Die Funktion des Autors ist, laut Michel Foucault, nicht nur, einzelne Diskurse zu bilden, sondern zu verbreiten, lenken, verwalten und rezipieren. Diese Kritik am Autorbegriff mündete feministisch in der Artikulierung der Konstruktion des selbstmächtigen Künstlers als Schöpfer autonomer Kunstwerke.

 

Kunstgeschichte: Im Kontext der Neuen Frauenbewegung wurden die „Unsichtbarkeit” von Frauen als Subjekte und der Objektstatus in patriarchal strukturierten Gesellschaften genauso thematisiert und kritisiert, wie die Unterdrückung und Ausbeutung von Frauen. In diesem Zusammenhang richteten Frauen auch einen neuen Blick auf die Kunstgeschichte, die Künstler (falls bekannt, auch Künstlerinnen) und die Kunstwerke.

 

Repräsentation von Weiblichkeit und Männlichkeit: Repräsentation meint nicht nur Darstellung, sondern „Zeichen, die innerhalb kultureller Codes und Systeme Bedeutung gewinnen, Aussagen zu formulieren” (Barbara Paul). 1980er Jahre: Konzentration auf Diskurse und diskursive Praktiken (Michel Foucault). Bilder von männlich und weiblich sind nicht natürlich, sondern konstruiert. Weiters geht es um Blick (look), Blickregime (gaze) und Bild (image) aus der feministischen Filmtheorie. Berufung auf Jacques Lacans „Das Spiegelstadium als Bildner der Ichfunktion”. Frau ist nicht mehr materieller Zeichenträger oder Signifikant, sondern Vorstellung, Bild bzw. Signifikat des patriarchalen Systems (Jacques Derrida/Judith Butler).

 

Körperdiskurse: Moderne Geschlechterdifferenz basiert auf Zweigeschlechtlichkeit und Rollenerwartungen. Bis 18. Jahrhundert existierte das Ein Geschlecht/Ein Leib-Model (Thomas Laqueur). Projektion des Bildes von Geschlecht heute auf frühe Abbilder, obwohl damals ein anderes Körperverständnis herrschte.

 

Hat Kunst ein Geschlecht?

Was bedeutet ein Blick-Wechsel?

 

„Die patriarchale Kunstgeschichtsschreibung hat für ihre Wissenschaft stets Geschlechterneutralität beansprucht. Unter dem Vorwand der Allgemeingültigkeit wurde aus dem Bereich der Kunst alles ausgegrenzt, was als nicht-männlich galt. Auch heute schreibt man Kunstgeschichte oft als Künstler-Geschichte und damit als Helden- und Geniegeschichte – und Helden und Genies sind bekanntlich männlich.

 

Dieser Band bietet sowohl eine Einstiegsmöglichkeit in die feministische Kunstgeschichte und -wissenschaft als auch einen Überblick über den derzeitigen Stand der Forschung.”

 

Petra Paul

 

Blick-Wechsel. Konstruktionen von Männlichkeit und Weiblichkeit in Kunst und Kunstgeschichte

Herausgegeben von Ines Lindner, Sigrid Schade, Silke Wenk, Gabriele Werner, Dietrich Reimer Verlag

Die Publikation enthält Vorträge der 4. Kunsthistorikerinnentagung 1988 in Berlin.